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Bequemlichkeit stört die Selbstfindung

„Wer bin ich? Was ist mir wirklich wichtig?“ Das fragt sich jeder Mensch irgendwann einmal. Eine gute Antwort verlangt Mut, Achtsamkeit und auch ein Stück weit Selbstreflexion. Doris Iding schreibt: „Nie zuvor konnten Menschen ihren Lebensweg freier wählen als in der heutigen Zeit. Gleichzeitig sind viele mit der großen Auswahl an Optionen überfordert.“ Das Überangebot an Möglichkeiten, ein Leben zu führen, das den eigenen Bedürfnissen, Talenten und Wünschen entspricht, fordert das Individuum umso mehr dazu auf herauszufinden, ob das, was angeboten wird, wirklich mit dem eigenen Wesen und Werten vereinbar ist. Deshalb ist es wichtig, sich immer wieder zu fragen: „Passt das, was ich tue, auch wirklich zu mir?“ Antworten auf so eine existenzielle Frage zu finden ist nicht leicht.

Man muss sich den eigenen Gefühlen stellen

Um sich selbst näher zu kommen, braucht es im ersten Schritt eine Entscheidung: „Will ich wirklich wissen, was ich will?“ Selbstfindung fängt immer dort an, wo Bequemlichkeit aufhört. Es bedeutet, dass man immer wieder innehalten und den Blick nach innen richtet, m seine Gefühle, Gedanken und Körperempfindungen bewusster wahr zu nehmen. Besonders seine Gefühle zeigen einem Menschen unmittelbar, ob er das, was er tut, gerne tut und ob es auch tatsächlich seinem innersten Wesen entspricht.

Doris Iding erklärt: „Es braucht eine gewisse Bereitschaft, sich den eigenen Gefühlen zu stellen. Dies ist nicht einfach, besonders dann, wenn es sich um schwierige Gefühle handelt. Wenden wir uns ihnen hingegen achtsam, offen und wohlwollend zu und reflektieren wir, warum wir etwas in einer bestimmten Situation empfinden, kommen wir uns näher.“ Dabei kommt es auf eine Kombination aus Emotion und Verstand an. Wenn man allein seinen Gefühlen folgt, kann es passieren, dass man nicht den notwendigen Abstand entwickelt, um zu erkennen, was sie über die eigene Person aussagen.

Die Realität und das Selbstbild klaffen oft auseinander

Vertraut jemand hingegen seinem Verstand, kann es geschehen, dass er sich selbst auf den Leim geht, weil er ein Selbstbild von sich konstruiert, das in erster Linie opportun ist, gesellschaftlichen oder familiären Vorstellungen entspricht, die er so verinnerlicht hat, dass er sich nicht hinterfragt. Das Bild von sich selbst zu hinterfragen, braucht Mut und radikale Ehrlichkeit. Besonders in der heutigen Zeit, in der in den sozialen Medien Selbstbilder vermittelt werden, die mit der Realität nicht viel zu tun haben: Strahlend. Schön. Entspannt. Immer gut gelaunt.

So präsentieren sich viele Menschen. Und so wären die meisten auch gerne. Es braucht Toleranz, Mitgefühl und Wohlwollen, sich neben den eigenen Stärken auch die eigenen Schwächen anzuschauen und diese auszuhalten. Doris Iding rät: „Gestehen wir uns ein, dass die Realität und unser Selbstbild auseinanderklaffen, kann das sehr hilfreich sein. Es kann nicht nur mein Selbstbild verändern, sondern auch unbewusste Gefühle anderen Menschen gegenüber.“ Gelingt es einem Menschen, sich selbst auszuhalten, ebnet er sich den Weg in die Freiheit. Quelle: „Sich selbst näherkommen“ von Doris Iding in der Münchner Abendzeitung vom 24./25. September 2022

Von Hans Klumbies

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